Zum Inhalt springen
COLLUMINA Köln 2018
  • 22. bis 24. März 2018
    • Light in Fine Arts: Research On Curatorial Strategies
  • Kunstwerke
  • Künstler_innen-Texte
  • Standorte
    • Bauwens Gruppe | Ebner Stolz
    • Haus der Stiftungen
    • Kunsthochschule für Medien Köln [KHM]
    • Museum für Angewandte Kunst Köln [MAKK]
    • Römerturm
    • Schokoladenmuseum Köln
    • St. Maria im Kapitol
  • 2020

Anna Rosa Rupp: Das Bewußtsein des Körpers

„Zeichnen ist wie ein ständiges Schwanken zwischen Kontrolle und Loslassen. Meiner Erfahrung nach erfordert ein befreites, sich am Sinnlichen haltendes Zeichnen, eine Art unüberlegtes Steuern, einen besonderen Denkmodus, der sich auf der Schwelle zwischen Empfinden und Begreifen, zwischen aktiv und passiv bewegt. Somit steht für mich die Frage danach im Raum, wie weit die Beziehung von Denken und Zeichnung in Rückkoppelung steht.“
„Anna Rosa Rupp: Das Bewußtsein des Körpers“ weiterlesen →

Tilen Sepič: Komponieren mit Frequenzen

Tilen Sepič ist Designer, Künstler und Forscher. In seiner transdisziplinären Praxis setzt er sich mit Natur- und Sozialwissenschaften, Material- und Technologieentwicklungen, ethischen und ästhetischen Fragestellungen auseinander. Er analysiert Materialeigenschaften und Wirkzusammenhänge, Schlüsselfunktionen und Systemstrukturen, wissenschaftliche und technische, physische und sinnliche Phänomene. Seine Bilder, Objekte und Installationen sind Illustrationen, Sinnesfelder und Wahrnehmungsräume, die komplexe Zusammenhänge aufschlüsseln und inszenieren. Ein Beispiel ist „Eclipse“ _ ein Leuchtenobjekt, das mit der An- und Abwesenheit von Licht spielt, wurde 2014 mit dem Londoner „darc award“ ausgezeichnet. „In meiner künstlerischen Auseinandersetzung mit Fotografie und Videografie wurde mir zunächst die Bedeutung von natürlichem Licht und später auch von elektrischem Licht deutlich. Mir gefällt das Medium, weil es nicht so „formal“ im Sinne des Materials ist. Es ist viel mehr als nur Material.“ Aktuell befasst er sich mit visuellen und nicht-visuellen Lichtwirkungen, d.h. er konzentriert er sich darauf, wie das Licht das Sehen, das Denken und das Befinden beeinflusst und wie es Stimmung, Erleben und Verhalten modifiziert.

Seit 2006 arbeitet er als freiberuflicher Designer, 2013 war er erstmals zu dem Festival SVETLONA GVERILA in Ljubljana mit einer Kunstintervention eingeladen, seitdem ist er regelmäßig auf Design-, Licht- und Wissenschaftsfestivals in Europa vertreten. „Mir gefällt an den Ausstellungen im öffentlichen Raum, dass sie für jeden zugänglich sind. Jeder kann die Arbeit erleben und allen gehört die Erfahrung mit der Arbeit _ so sollte es mit fast allen künstlerischen Formaten sein und auch mit allem Wissen sein.“

Die Kölner Installation „Licht-Oszillator“ war schon im Rahmen von SVETLOBNA GVERILLA Ljubljana [2016], LUMINA Cascais [2017] und LICHTUNGEN Hildesheim 2018 zu sehen. Die kinetische Installation ist inspiriert von der Beobachtung schwingender Systemen mit periodischem Verhalten wie es sie in Physik und Chemie, in der Biologie und in der Soziologie gibt. Es handelt sich mechanische Systeme, die kontinuierlich zwischen verschiedenen Zuständen pendeln. Technische Oszillatoren findet man in Mechanik und Elektrotechnik. Die Installation ist wie die Konstruktionszeichnung eines Oszillators aufgebaut. Sie besteht aus mehreren Lichtkugeln, die über einen je eigenen Lichtpuls verfügen. Ihr Leuchten kann ab und zu nehmen und folgt dabei einem sich regelmäßig wiederholenden Ablauf. Aufgehängt an den hohen Bäumen schweben die drei Lichtkugeln frei im Raum. Sie werden mithilfe eines Motors in Schwingung versetzt. So entstehen in räumlicher Nähe drei konische Pendel, die einander nicht berühren, aber je nach Standpunkt der Betrachtung, scheinen sich ihre Bahnen zu kreuzen. Es entsteht eine visuelle Spannung, die die technische Anordnung als ein ästhetisches Phänomen erfahrbar macht.

Der akustische Raum wird mit einer einander überlagernden Frequenzspektren bespielt und erzeugt eine Art abstrakten Umgebungsraum. Im Zusammenspiel erinnert es an das „Dream House“ [1993] von Marian Zazeela und La Monte Young, ein Licht- und Klang-Environment, das den audio-visuellen Raum mit Kompositionen aus Licht- und Ton-Frequenzen füllt. Seit Beginn der 19060er Jahre steht Licht, Farbe und Raum im Mittelpunkt der künstlerischen Praxis von Marian Zazeela. Sie erklärt, dass „der Klang und das Licht gemeinsam als neue Form oder neues Medium erlebt werden können: die Klang- und Lichtumgebung. Das gemeinsame Erleben der beiden Medien erfordert eine neue oder zumindest eine andere Art der Aufmerksamkeit.“ [Atlas Obscura: Dream House. No date given. Checked on 20.1.2018] Wie ihr Partner, der Komponist und Musiker Monte Young, experimentiert sie mit zeitlicher Dauer und periodischer Wiederholung. Die gemeinsamen, viel-stündigen Konzerte sind legendär: „Eine einstündige Komposition ist nichts im Vergleich zu einer sechs Jahr dauernden Komposition.“ [Randy Kennedy: Young and Zazeela’s “Dream House” Is Getting a New Lease at Dia. Checked on 2.4.2018.] Wie das „Dreamhouse“ erzeugt auch der „Lichtoszillator“ eine hypnotische Situation, die durch das synchronisierte, audio-visuelle Zusammenspiel über eine offene Zeitmenge hinweg entsteht. Die Augen folgen den endlosen kreisneden kreisenden Leuchtkörpern, die Ohren stimmen sich auf die Frequenzgefüge ein und der umgebende Raum wird zu einer Art Hülle für das Schwingungssystem.

Daher ist Auswahl des Standortes von großer Bedeutung. Es braucht lichte Höhe und Breite, um ausreichend Platz für die Pendelbewegungen und die Sichtbeziehungen zu schaffen. „Als Künstler versuche ich mit dem vorhandenen Raum zu arbeiten und sein Potential zu nutzen, um eine andere Geschichte in der Zeitlinie dieses Raumes zu erzeugen. Ich versuche mich mit meinen Interventionen möglichst nahtlos in einen Raum einzufügen.“

Alle Statements: Tilen Sepič. Text: Bettina Pelz. Köln, 15. März 2018

Aymen Gharbi: Interview mit Sonia Kallel

Wie wählst du dein Thema?

Ich wähle kein Thema, meistens finde ich etwas, das mich so sehr interessiert, dass es zwingend wird.

In deinen Arbeiten wie “Tafkik“, die COLLUMINA Arbeit, aber auch „Tisser la Medina“, die INTERFERENCE Arbeit, oder „La robe idole de Sejnane“ oder „Quelle robe pour demain?“ spielen Textilien und Stoffe eine wichtige Rolle. Was fasziniert dich an Faden und Gewebe, dass du dich über viele Jahre darauf konzentrierst?

Der „Faden“ stand immer im Mittelpunkt meines Interesses. Ich habe mein Studium mit einem Abschluss in Modedesign in Toulouse begonnen, Nähen ist ein Bereich, der mich schon immer fasziniert hat. Mit der Zeit hat sich meine Wahrnehmung verändert. In meiner Doktorarbeit habe ich mich auf den menschlichen Körper als soziales Produkt konzentriert; dann wurde mir klar, dass das Nähen auch mögliche Verbindungen zwischen aktiven Menschen herstellt. …

„La robe idole de Sejnane“, eine Arbeit mit Töpferinnen aus der Region Sejnane im Nordwesten von Tunesien im Rahmen einer Künstle_innen-Residenz 2011 hatte einen starken Einfluss auf meine Praxis. Die Arbeit mit diesen 80 außergewöhnlichen Frauen ist eine prägende Lebenserfahrung für mich. Das menschliche Miteinander war der Auslöser dafür. In der letzten Zeit ist es die Medina von Tunis, die mich täglich mit Material versorgen … die Bewohner_innen, die Handwerker_innen, die Händler_innen, die Orte und die unendlich vielen Geschichten. Das bedrohte kulturelle Erbe, das unglaubliche Veränderungen und Mutationen erfahren hat, mich inspiriert.

Seit ein paar Jahren arbeitest du auch digital und stellst neue Verbindungen zu dem traditionellen Handwerk her. Steckt dahinter die Idee, eine bestimmte Ästhetik zu entwickeln, oder gibt es noch andere Intentionen?

Digital zu arbeiten ist nicht nur ein ästhetisches Bedürfnis, es ist eine Sprache der Gegenwart, sie bietet vielfältige und unendliche Möglichkeiten … Die Frage des kulturellen Erbes ist für mich wesentlich. Wir erleben den Verlust von Wissen, von historischen Orten … vieles verschwindet und geht verloren … Die digitale Technologie erlaubt es uns, Daten zu transkribieren und zu transponieren, zu entwickeln, zu träumen … Ich interessiere mich für den Übergang von einem Know-how, wie die die Hand zur Maschine wird und was geschieht, wenn ich die gleichen Gesten digital wiederhole. So entsteht eine außergewöhnliche Symbiose zwischen Gestik und Materie, wiederholter Bewegung und „Arbeitsmusik“ …

Der transdisziplinäre Ansatz ist in deinen Arbeiten der letzten Jahre sehr präsent und du verbindest Grafik und Handwerk mit performativen Aspekten. Wie siehst du das?

Meine Arbeit ist das Ergebnis einer Erfahrung, die sich im Laufe der Zeit entwickelt, manchmal kommt die Idee direkt wie beim Schreiben. Meine interdisziplinäre Ausbildung hat mir die Türen geöffnet. Die Kreuzung der Disziplinen ist ein Reichtum. Von der Erde zum Nähen, von der menschlichen Beziehung zur Grafik, von der unbewussten gestischen Wiederholung zum konzeptualisierten Algorithmus … Alles ist möglich!

Was ist dein Treibstoff? Was macht dich glücklich?

Menschliche Erfahrung.

Ken Matsubara: Aufzeichnungen mit Licht

Ken Matsubara appliziert Film auf ausgesuchte Objekte wie ein namenloses Buch oder eine Holzwaage, ein industriell hergestelltes Wasserglas oder eine serienmäßig hergestellte Klangschale, ein nicht-funktionsfähiges Handy oder ein veraltetes Fernsehgerät. Sie alle sind kleine bewegliche Gegenstände des täglichen Lebens und finden sich in vielen, unterschiedlichen Kontexten wieder. „Klein- oder Miniaturobjekte nehmen in den Herzen vieler Japaner_innen einen besonderen Platz ein. Sie haben das Gefühl, dass sie sich mit einem kleinen Universum oder ihrer perfekten Gesellschaft in ihnen verbinden können. Wie in den fein gearbeiteten Utensilien und Tassen für die japanische Teezeremonie, in denen es ein großes Universum zu finden gibt … „, erklärt Matsubara seine Wahl der Formate. Das Bündel von Assoziationen, das ein Objekt begleitet, ist seine Leinwand. „Mit dem Gedanken ein neues Miniaturuniversum zu erschaffen, konnten die Japaner_innen auch den kleinsten Fernseher der Welt produzieren.“ Als Industrieland war Japan immer an vorderster Front des technologischen Fortschritts und japanische Künstler_innen waren von den wissenschaftlichen, technischen und medialen inspiriert.

Das Aufkommen der Fotografie in Japan in der Mitte des 19. Jahrhunderts fiel mit der Erfindung der Daguerreotypie in Frankreich zusammen. Vom frühen 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart haben japanische Fotograf_innen über die Funktion und die Rolle ihres Mediums debattiert, und je nach Position ihre gesellschaftliche Rolle oder ihre Ausdrucksmöglichkeiten betont. Wie kaum ein anderes künstlerisches Medium hat die Fotografie eine wesentliche Rolle bei der Erforschung, Repräsentation und Konstruktion von Bildern der japanischen Identität gespielt. „Japanische Schönheit basiert auf allem, was vergänglich ist, die Zeit verschwindet, sie bleibt nicht stehen. So zum Beispiel „Hojoki“, das älteste Buch Japans von Kamo no Chomei, der seine allererste Seite schrieb, dass der fließende Fluss nie aufhört und das Wasser doch nie gleich bleibt. Schaum schwimmt über die Becken, streut sich, formt sich neu, bleibt nie lange stehen. So ist es mit dem Menschen und all seinen Wohnstätten hier auf Erden.“ [Mara Sartore: Repetition: Ein Interview mit Ken Matsubara]

Ken Matsubaras Serie „Repetition“ [2014] ist das Ergebnis der Verwendung verschiedener alter Schnappschüsse, die zufällig gefunden wurden, und der Aufnahme von Bildern am selben Ort im Vergleich zu dem Ort, an dem die Schnappschüsse tatsächlich aufgenommen wurden. Die gealterten Fotografien werden als Drucke in Buchform gezeigt, und die Aufnahmen der neu besuchten Orte werden auf leere Seiten projiziert. Die Gegenüberstellung führt zu einem Stillleben, das zu einer Vermittlung von Gegenwart und Vergangenheit, Gegenwart und Abwesenheit, Leben und Tod führt. Das Verständnis von Geschichte als Entwicklungsprozess entlang des Zeitflusses ist ein immer wiederkehrendes Thema künstlerischer fotografischer Positionen. Der Künstler und Architekt Hiroshi Sugimoto widmet sein Werk unter anderem der Vergänglichkeit des Lebens und hat seine Fotografien als Ausdruck der exponierten Zeit beschrieben. Zeitfluss und das Vergehen der Gegenwart ist der Schlüssel zum Verständnis von Matsubaras konzeptionellem Ansatz. „Wir schwanken zwischen Vergangenheit und Zukunft in einem Zustand der Wiederholung und suchen unaufhörlich nach ihren Mitteln ohne Ende.“ Seine Werke wurzeln in persönlichen Beobachtungen oder Erinnerungen. Für die Arbeit „Tide“ [2011] spricht er explizit von einer prägenden Erfahrung: „Diese Arbeit entspringt meiner Erinnerung als ich im Alter von 3 Jahren zum ersten Mal ins Meer ging. Meine Mutter lachte und rief mich ins Wasser. Als ich vorsichtig in die Wellen eintauchte, spürte ich die große Kraft unter meinen Füßen, die mich in das Wasser zog. Um nicht in den Tod getrieben zu werden, habe ich meine Beine weit auseinander gespannt, aber nach und nach begann ich zu sinken. Ich versuchte, die seltsame Angst vor meinen Füßen zu ertragen, und schluckte viel Meerwasser. Als ich weint, kam schließlich meine Mutter, lachend, um mich zu schnappen und mich in ihren Armen zu halten.“ Die aus dieser Erfahrung resultierende Videoarbeit ist ein Kaleidoskop menschlicher Beine in einem bewegten Meereswasser, die vielfach gespiegelt und wiederholt wird. Es wird auf einen dunklen Holzklotz projiziert. Ein anderes Beispiel ist die Arbeit „Letters“ [2011], es bezieht er sich auf den Moment, in dem er und seine Frau beschlossen, Briefe, die sie von Familie und Freund_innen erhalten und die sie seit fast vierzig Jahren aufbewahrt hatten, wegzuwerfen. Das Video zeigt einen leeren Raum, in dem Papierblätter zu Boden schweben. Projiziert auf ein nicht-funktionstüchtiges Mobiltelefon erzeugt es die Nachdenklichkeit über die kollektive Erfahrung wie im Zeitalter der Digitalisierung der geschriebene Brief nicht mehr existiert.

Im Zusammenspiel der analogen Objekte mit den digitalen Filmen schafft er subtile und faszinierende Mischrealitäten wie die Bewegung des Wassers, was nur in der Projektion vorhanden ist, aber nicht in der Projektion _ wie in der „Moon Bowl“ Serie. Sein Ziel ist es, eine Interdependenz oder Dynamik einzufangen, sie sind die Schlüssel zu seinen künstlerischen Konzepten. Er erforscht Visualität als das Zusammenspiel von Bekanntem und Unbekanntem, von visueller und nicht-visueller Sphäre mit einem einzigartigen Sinn für Spiritualität. „Ich erkannte, dass die Basis meiner Ideen „Mono no aware“ ist, was die Traurigkeit der vergehenden Zeit bedeutet. Es ist, wie wenn man die Kirschblüten fallen sieht, fühlt man sich traurig. … Die japanische Schönheit kann man mit den Kirschblüten oder sogar mit den Samurai-Kriegern beschreiben, die sterben werden, wenn sie die Kirschblüten sehen, haben sie die gleichen Gefühle, dass sie alle eines Tages sterben werden. [Mara Sartore: Repetition: Ein Interview mit Ken Matsubara]

Matsubaras künstlerische Forschung widmet sich Erinnerungen, die nicht nur kollektive, sondern universelle Prinzipien umfassen. „Meine Arbeiten versuchen, die Möglichkeit zu erforschen, Erinnerungen zu verschmelzen, die sich tief im Bewusstsein befinden. Diese Werke bestehen aus Erinnerungsbildern, die Archetypen enthalten, die Erinnerungen verkörpern.“ Er betont, dass „Erinnerungen… genetisch unserer DNA innewohnen, die seit der Antike ein enormes Wissen aus der Vergangenheit enthält. Darüber hinaus teilen sie ein kollektives Gedächtnis, das über das individuelle Selbst hinausgeht und sich zwischen Vergangenheit und Gegenwart durchdringt. Wenn wir uns daran erinnern und sie teilen können, dann glaube ich, dass es ein Potenzial für unsere Zukunft gibt, über die Grenzen kultureller, historischer und sozialer Vorstellungen von Individualität hinauszuwachsen“.

[Statements der Website der Künstler, 15. März 2018. Text: Bettina Pelz]

Christine Sciulli: Kreise aus weißem Licht

Die konkrete Kunst der Amerikanerin Christine Sciulli sind Kompositionen, die mit den Geometrien des Lichts spielen. Ihre Anziehungskraft und Poetik verdanken sie Sciullis ausgeprägtem Gespür für komplexe Arrangements. Zurzeit arbeitet sie an einer Series von großen, ortspezifischen Interventionen. Sie zeigen animierte weiße Kreise, die auf unregelmäßige Oberflächen projiziert werden. Es generieren eine Interaktion, die es den weißen Linien erlaubt zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit zu mäandern. So entsteht eine ungewöhnlich bezaubernde Seherfahrung.

„Ich habe mich schon immer für Licht interessiert“, sagt Sciulli. Als Kind spielte sie am Esstisch mit den Lichtreflexionen des Bestecks und freute sich daran, wie sie das Licht durch den Raum lenken konnte. Heute, als ausgebildete Lichttechnikerin und bildende Künstlerin, kennt sie die Eigenschaften des Lichts und die Wechselwirkung mit der menschlichen Wahrnehmung. In ihren Arbeiten werden Volumen und Bewegung, Form und Farbe durch das Zusammenspiel von projiziertem Licht, Zeit, Raum und Material bestimmt. Ihre Arbeiten illustrieren wie Licht unsichtbar wird, wenn es nicht auf etwas tritt, das es reflektiert. Die leuchtende Linie ist zum Werkzeug ihrer künstlerischen Auseinandersetzung und ihrer künstlerischen Artikulation geworden.

In der Kunstgeschichte ist die Linie ein grundlegendes Mittel des visuellen Ausdrucks, und Sciulli interessiert die Linie als liminaler Raum. Mit Projektionen von Linien auf Gräser und Sträucher untersuchte sie das Bildverhalten von zweidimensionalen Linien auf dreidimensionalen Projektionsflächen. Umgeben von Dunkelheit erzeugt das Auftauchen und Verschwinden der sich bewegenden weißen Linien eine visuelle Spannung. 1926 schrieb Paul Klee über eine Zeichnung: „Sichtbar machen.“ Er beschrieb die Linie als Transit zwischen dem Unsichtbaren und dem Sichtbaren, als „Medium zwischen Erde und Kosmos“. Bei Sciulli wird die Linie zur leuchtenden Linie mit Bewegung im Raum, Zeitfluss und Wahrnehmungsreaktion als inhärenten Qualitäten.

In ihren aktuellen Arbeiten konzentriert sie sich auf kreisförmige Linien. „Kreise schienen folgerichtig der nächste Schritt, nach dem ich wie besessen mit geraden Linie gearbeitet hatte. Als ich sah wie sie sie durch die chaotische Oberfläche bewegen, war ich von der Einfachheit der Kreisform verzaubert und davon wie aktiv sich ein Kreis anfühlen kann“. Ein Kreis ist eine abstrakte geometrische Figur, der eine Ebene in zwei Teile teilt, eine innere und eine äußere. Als Struktur korrespondiert es mit dem Ein/Aus des Lichts.

Die Arbeit mit abstrakten Geometrien hat in der Kunst eine lange Tradition. Die Wurzeln der geometrischen Abstraktion liegen in der avantgardistischen Kunst der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Es war eine Kunstform, die sich Klarheit, Struktur und Logik widmete. Ihr Formenvokabular konzentrierte sich auf geometrische Formen, und Kompositionen waren mathematisch durchdacht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es Franticek Kupka, Robert Delaunay und Sonia Delaunay-Terk in Frankreich, der Suprematismus entwickelte sich um den russischen Kasimir Malewitsch, die De Stijl-Bewegung konstituierte sich in Holland mit Piet Mondrian und Theo van Doesburg und ab den 1920er Jahren setzte sich am Bauhaus die geometrisch-abstrakte Malerei mit Wassily Kandinsky und Georg Muche durch. Stilmerkmale der geometrischen Abstraktion sind die Fokussierung auf Linien und Farbflächen, auf geometrische Grundformen und deren strukturelle Gliederung. Die gleichen formalen Merkmale lassen sich auch auf die Konkrete Kunst anwenden, die jedoch bildnerisches Arbeiten nicht mehr als eine Abstraktion von einer anderen Realität verstand, sondern eine eigene künstlerische Realität schaffte. So lassen sich auch die Arbeiten von Sciulli lesen: Sie basieren auf den Geometrien des Lichts und generieren eine eigene Realität. Das komplexe Zusammenspiel von Licht und Zeit, Bewegung und Raum, Linie und Form, Material und Wahrnehmung sind ihre Baustoffe, die mit der Dynamik von visuellen Strukturen und Rhythmen, von Codierung und Programmierung, von Information und Wahrnehmung verwoben werden. „Was mich zum Kreis hinzieht, ist die gewölbte Lichtlinie, die sich bis zu ihrem Ausgangspunkt zurückzieht und wie diese Kreislinie über das dreidimensionale Medium des Netzes ausstrahlt.“

Nachdem sie seit 2010 mit natürlichen Umgebungen und deren Wechselwirkung mit geometrischen Projektionen experimentiert hatte, begann sie 2013 mit geometrischen Projektionen auf unregelmäßigen textilen Flächen zu arbeiten. Beide Szenarien erlauben es ihr, das Zusammenspiel von Licht und Material, Form und Oberfläche, Transparenz und Reflexion zu steuern. „Crawl“ war die erste Videoprojektion einer einzelnen bewegten Linie auf gekrümmten Flächen aus einem textilen Gewebe. Was als eine zusammenhängende Linie begann, verwandelte sich in eine dreidimensionale Bildstruktur.

Wie der Kreis korrespondiert auch die Wahl eines Netzgewebes mit dem Ein- und Ausschalten des Lichts. Faden und Nicht-Faden, die Struktur des Materials verbindet materielle und immaterielle Teile. Das durchströmende Licht wird dem Fadenmaterial reflektiert und bewegt sich unsichtbar im Dazwischen. Sciulli entwirft textile Skulpturen, die von Dunkelheit umgeben sind. Nur ihre geometrischen Projektionen ergründen, ob und wo Material vorhanden ist oder nicht. „Während das Licht der Kreise die Kette und den Schuss entführt, scheint es sich mit jedem Faden, der einige seiner Photonen fängt, zu lösen, nur um festzustellen, dass es sich weit und breit ausdehnt.“

[Alle Zitate: Christine Sciulli. Text: Bettina Pelz]

Elisabeth Brockmann: Die leuchtende Leinwand

Zur permanenten Sammlung des MAKK _ Museum für Angewandte Kunst gehören zwei Arbeiten der Düsseldorfer Künstlerin Elisabeth Brockmann: Vor zwei Jahren hatte sie zwei Leuchtkästen fertig gestellt, die sich auf Objekte aus der Sammlung beziehen und die dauerhaft in die Museums-Architektur eingepasst wurden. Die eine markiert den Eingang zur Design-Sammlung und die andere ist im Café zu finden. Zusätzlich sind jetzt im Eingangsbereich zwei Arbeiten zu sehen, ein Querformat [130 x 200 x 11 cm] und eine Stele mit einem Leuchtkasten [277 x 30 x 16 cm]. Sie sind eine Art Einleitung zu dem Hauptausstellungsraum. Beide Werke sind fotografische Arbeiten mit Referenz zu natürlichen Phänomenen wie Luft und Himmel, Wolken und Wasser. Wie bei allen Arbeiten dieser Ausstellung handelt es sich um digitale Fotomontagen. Elisabeth Brockmann sammelt ihre Eindrücke nicht nur in Natur- und Kulturräumen, sondern auch in ihren Studio. Dort experimentiert sie wie in einem alchemistischen Labor mit Material und Form, Raum und Licht, Skalierung und Perspektive. Mit der Kamera folgt sie diesen analogen Improvisationen und generiert ihr fotografisches Ausgangsmaterial, das sie am Bildschirm nachbearbeitet. Schon die ersten Arbeiten der aktuellen Ausstellung lassen erkennen, dass sich die Kompositionen von Elisabeth Brockmann durch ausgewählte Farbräume, intensive Farbigkeit und hohe Kontraste auszeichnen. In der laufenden Ausstellung zeigt sie eine Reihe von neuen Arbeiten.

An drei von vier Wänden des Hauptausstellungsraumes sind 5 großformatige Fotografien montiert und frei im Raum positioniert sind 21 Fotografien in Leuchtkästen auf dunklen Stelen. In der Vorbereitung zur Ausstellung hatte sie im Lager des Museums ein Arsenal an temporär nicht genutzten Vitrinen entdeckt, die zum Ausgangsmaterial ihrer neuen Installation wurden. Sie nimmt den Vitrinen ihre Transparenz, indem sie sie mit einem dunklem Textil bespannt. Mit einer LED-Flutleuchte im Innern werden die Vitrinen zu Leuchtkästen. Das Textil fungiert zugleich als Leinwand für die fotografischen Drucke der zwei Serien. Die eine zeigt Variationen leuchtender Scheinwerfer und deren Kontexte, die andere Variationen über einen Plexiglaswürfel und dessen Interaktion mit wechselnden Umgebungen und Materialien, In der künstlerischen Überarbeitung werden sie zu Bildwerken ohne Narrativ.

Die Wandarbeiten sind von 150 x 180 cm bis 200 x 300 cm groß und so ausgeleuchtet, dass sie wie aus sich heraus leuchtende Farbtableaus erscheinen. Dazu arbeitet Elisabeth Brockmann mit einem thermischen Farbdruckverfahren, mit dem sie eine besonders hohe Farbsättigung und eine große Farbtiefe erreichen kann. „Die signifikante Dichte der Farbpigmente reflektiert das Licht ohne das Lichtreflexe entstehen“, begründet sie die Auswahl von Material und Technologie.

Den aktuellen Ausstellungsraum hat sie verdunkelt und ihre Arbeiten als leuchtende Screens in den Raum choreografiert. Die Besucher_innen können zwischen den Stelen flanieren und sich den einzelnen Arbeiten aus verschiedenen Blickwinkeln und Sehzusammenhängen nähern. Der Grundstein für das kinematographische Momentum in ihren Arbeiten wurde unmittelbar nach dem Studium in Paris gelegt. Nach Abschluss des Studiums an der Kunstakademie Düsseldorf 1981 erhielt sie ein Stipendium und reiste nach Paris. Statt im Atelier an der Staffelei zu arbeiten, ging sie ins Kino und begann sich mit Fotografie, Film und Projektion auseinanderzusetzen. „Ein halbes Jahr lang saß ich in diesem schönen großen hellen warmen Atelier mit Blick auf die Seine und habe keinen Pinsel angerührt. Die Staffelei war meine Kleiderablage. Stattdessen ging ich von mittags bis abends ins Kino – serienweise Humphrey Bogart, James Dean, Marlon Brando und wie die Stars alle hießen. Und dann gab es diese Buchläden, in denen man die Filme Szene für Szene in Buchform kaufen konnte, eine Art Daumenkino für Cineasten. Da hatte ich mein Thema gefunden. Ich habe die Bilder abfotografiert, vergrößert, Fotos von mir in den passenden Posen gemacht und mich an die Stelle von Ingrid Bergman, Lauren Bacall und so weiter montiert. Fotomontage ging damals noch mit Nagelschere und Klebstoff. Das Ganze habe ich dann wieder abfotografiert und zu Filmplakat-Größe aufgeblasen.“, beschreibt Elisabeth Brockmann diese Zeit in einem Interview mit Martin von Wiesenbach . Die leuchtende Leinwand ist zu einem Auszeichnungsmerkmale von Elisabeth Brockmann geworden _ ob als Ausstellungsobjekt wie im MAKK oder als Architekturintervention wie am Bayrischen Staatsschauspiel München [2000], am Albertinum in Dresden [seit 2002] oder in der Stadt Friedberg [seit 2016]. Ob als Objekt, als Fensterbild oder als Architekturelement, sie integrieren sich formal in den gebauten Raum und transformieren mit ihrer Leucht- und Bildkraft vertraute Raum- oder Stadtansichten.

Brockmann lebt und arbeitet in einem Atelier in der Düsseldorfer Innenstadt. In ihrer künstlerischen Arbeitsweise ist sie sehr konkret. Sie experimentiert und improvisiert mit Material, Licht und Raum bis sie den Moment findet, in dem der Bildgegenstand sich aus seinem Produktionszusammenhang löst und eigenständig wird. Diese Art von „Fundstücken“ unterzieht sie wochenlangen, wiederholten Betrachtungen und Bearbeitungen, in denen sich das Bildwerk in den Augen der Bildautorin bewähren muss. Im Gespräch mit dem Journalisten Thilo Wydra erklärte sie, dass die Balance zwischen Kalkül und Emotionalität zu den Parametern guter Kunst gehört. So ist auch ihre Arbeitsweise durch einen verzweigten Prozess von Experimentieren und Improvisieren, Sammeln und Sortieren, Begutachten und Bearbeiten gekennzeichnet. „Freiheit, Raum und Licht“ ist der Titel der Ausstellung, die noch bis zum 8. April 2018 im MAKK zu sehen ist, auch während der COLLUMINA Öffnungszeiten vom 22. bis 23. März 2018, 10.00 Uhr bis 24.00 Uhr, am 24. März 10.00 Uhr bis 23.00 Uhr. „Neben meinen Arbeiten ist der Ausstellungstitel ist eine Art zusätzlicher Reiz für die Ausstellung“, sagte Elisabeth Brockmann im Künstler_innen-Gespräch am 1. März 2018. „Mir geht es darum, keine Richtlinien oder Sehweisen vorzugeben, sondern ich freue mich, wenn die Besucher_innen sich zum Sehen und Spekulieren anregen lassen.“

[Text: Bettina Pelz. 5. März 2018.]

Kurt Laurenz Theinert: Die Herausforderung der Improvisation

Mein Verständnis von Licht wurzelt in der Fotografie _ Fotografieren zu entwerfen, zu gestalten und zu machen _ alle Prozesse sind lichtbezogen und sie machten mich vertraut mit den den Grenzen, den Notwendigkeiten und den Möglichkeiten von Visualität. Je tiefer mein Verständnis wuchs, desto mehr wollte ich diese Erfahrung – den Prozess des Erscheinens und Verschwindens oder des „Happenings“ – mit anderen teilen, natürlich mit Künstler_innen und Kurator_innen, aber auch mit einem aufmerksamen Publikum. Vor etwa acht Jahren begann ich einer Reihe von Performnaces, die mich um die ganze Welt geführt haben.

Mit konzeptioneller und technischer Unterstützung entwickelte ich das „Visual Piano“, ein Instrument, das es mir erlaubt, mit Licht, Form und Farbe in Raum und Zeit zu spielen. Die Idee war nicht neu, es gibt eine große Tradition von Farb- und Klangspielgeräten. Ich weiß nicht, wie weit wir es in der Geschichte zurückverfolgen können, aber ich war inspiriert von den frühen Ideen, die im 16. Jahrhundert entwickelt wurden, oder als ich von dem französischen Mönch Louis Bertrand Castel im 18. Jahrhundert hörte, der die Idee eines „Clavecin pour les Yeux“ vorschlug. In den 1920er Jahren prägte der Däne Thomas Wilfred das Wort „lumia“, um dies als Ausdruck künstlerischen Ausdrucks zu beschreiben. Er entwickelte eine Reihe von Instrumenten und mit den späteren konnte er sogar farbige Bilder projizieren und nicht nur farbige Lichtfelder wie bei seinen früheren Instrumenten. In Deutschland wurden von den späten 1920er Jahren bis Anfang der 1930er Jahre auf einer Reihe von Farbmusik-Kongressen diverse Farborgeln vorgeführt. Ludwig Hirschfeld-Mack führte sein „Farbenlichtspiel“ auf einer Farborgel auf, die er an der Weimarer Bauhausschule in Zusammenarbeit mit Kurt Schwerdtfeger entwickelt hatte. Wenn man anfängt in Geschichte und Gegenwart zu recherchieren, stellt man fest, dass ich nicht der Einzige war, sondern dass es über die Jahrhunderte ein breites künstlerisches Interesse gab, die Ästhetik der Frequenzen von Licht und Klang zu erforschen. Mein „Visual Piano“ ist eine Version, die auf digitalen Steuerungen basiert und immer noch einzigartig in der Welt ist.

Spielen ist für mich ein ganzer abstrakter Prozess, es gibt kein konzeptuelles Denken, keine Leitidee und keine Bedeutung, ich möchte nur die Dynamik und Ästhetik der Vernetzung von Licht, Raum, Zeit, Musik und mir erforschen. Es ist immer eine besondere Herausforderung, einen Raum zu verstehen, um den perfekten Aufbau zu finden – seine Oberflächen, seine Verhältnisse, sein Echo und seine Frequenzen. Ich genieße diese Zeit der Annäherung, weil ich einen Raum mit seinen sichtbaren und unsichtbaren Eigenschaften entdecke. Es wird Partner und Gegenstück zugleich, weil alles, was ich tue, durch den Raum verändert wird _ das projizierte Licht wird durch eine Wand gestoppt, die Formen werden durch die umgebende Architektur transformiert und die projizierten Farben vermischen sich mit den Körperfarben der Projektionsfläche. Alle diese Aspekte sind mein Orchester, und wo immer ich hingehe, hat jede Verbindung ihre eigene Konstitution und Resonanz. Die Farben und Formen, die ich generiere, sind nicht voreingestellt, ich entwickle sie vor Ort und kann sie verändern, wenn ich neue Möglichkeiten sehe, wie ich mit einem Raum kommunizieren kann.

Meine künstlerische Forschung ist dem Zusammenspiel aller Komponenten gewidmet und die performativen Aspekte sind dabei sehr wichtig. Alles verändert sich ständig und dennoch betrachten wir Farbe als etwas Dauerhaftes und eine materielle Form als ewig, obwohl wir wissen, dass nichts für immer ist – auch wir selbst. Ich konzentriere mich mehr auf Dynamik als auf Materialien und lerne mehr über Systeme als über Objekte. Und ich liebe es diese Komplexität einfach zu zelebrieren.

Wo immer ich hingehe, versuche ich, Musiker_innen zu finden, mit denen ich spielen kann. Klang und Licht haben viele Eigenschaften gemeinsam und obwohl wir uns in verschiedenen Sphären bewegen, können wir uns gut verständigen. Ich schöpfe viel Inspiration aus den Qualitäten und dem Verhalten von Klang und suche Musiker_innen, die sich für die transmediale Zusammenarbeit interessieren. Je besser sie ihr Instrument und den Raum kennen, desto mehr können wir uns auf unsere Kommunikation als ästhetischen Prozess konzentrieren. Die Improvisation in der Musik hat eine lange Tradition. Die kreative Tätigkeit der in-the-moment-Komposition erkennt sowohl die Qualitäten des Settings als auch den reaktionsaktiven Teil der Spieler_innen an. Sich zu treffen und gemeinsam zu improvisieren ist eine großartige Möglichkeit, sich kennenzulernen und den Raum, in dem wir uns treffen, kennenzulernen.

Diese Begegnungen zu teilen, bedeutet, den fragilen Moment zu teilen, in dem zwei Systeme beginnen zu korrespondieren. Die Offenheit und Transparenz schließt das Publikum mit ein, das eine weitere Kraft in der Performance ist. Die Anwesenheit von Menschen verändert die visuellen und akustischen Qualitäten des Raumes und ein bewegtes Publikum ist wie ein dritter Improvisator am Set. Es ist einfach eine erstaunliche Erfahrung, sich zu verbinden. Ich mag die Herausforderung der Improvisation, die uns daran erinnert, präsent zu sein.

Zusammenfassung des Interviews mit Kurt Laurenz Theinert am 3. September 2017: Bettina Pelz]

molitor & kuzmin: Licht und Raum

Ursula Molitor und Vladimir Kuzmin sind seit Ende der 1990er Jahre für ihre Licht- und Raumarbeiten bekannt. Sie formen Objekte und Volumen durch den Einsatz von Licht. Sie knüpfen an die Prinzipien der „Light-and-Space“- Künstler_innen der 1960er Jahre an und führen sie fort. „Wir arbeiten mit Massenmaterialien, und für uns sind Leuchtstofflampen wie ein Werkzeug zum Komponieren, nicht auf einer begrenzten Leinwand, sondern im offenen Raum“. Seit 1996 ist physikalisches Licht das Hauptmaterial ihrer künstlerischen Artikulation. „Als wir anfingen mit elektrischem Licht zu experimentieren, hat uns die Technik im Grunde nicht interessiert. Wichtig war für uns das ästhetische Phänomen. Wir waren begeistert, dass wir ein Material gefunden haben, das den Dialog mit der räumlichen Dimension sucht.“

molitor & kuzmin benutzen handelsübliche Leuchtstoffröhren als eine Art Zeichenmaterial. In den künstlerischen Kompositionen können sie als einzelne Objekte oder gehäuft auftreten; sie können einer geometrischen Ordnung verpflichtet sein oder einem mechanischen System wie in einer Explosionszeichnung angeordnet sein; sie können frei im Raum hängen oder von Transportmaterialien wie Paletten, Lastwagen oder Kisten eingerahmt werden. „Fluoreszenzlicht ist ein so restriktives Medium und über die unendlich vielen Stunden, die wir damit arbeiten, haben wir eine besondere Wertschätzung entwickelt, die uns immer wieder motiviert, weiter zu machen. Diese Röhren haben ihre eigene Poetik. Das Gas im Inneren wird in einen Hochvakuumzustand versetzt, um ein Entladungsphänomen ähnlich dem Ursprung des Universums hervorzurufen. Vielleicht spüren wir das, wenn wir sie anschauen…“.

Die leuchtenden Werke von molitor & kuzmin sind von hoher visueller Attraktivität und reorganisieren den Ort. Sie übernehmen die visuelle Führung in einem Raum, zum einen aufgrund der natürlichen Augenreaktion, die uns zum hellsten Teil einer Umgebung navigieren lässt, aber auch durch ihre ästhetische Impulskraft. „Bis heute fasziniert uns immer noch das reine, helle, weiße Licht der Leuchtstoffröhren. Es verändert einen Raum und alles darin.“

In den ersten zehn Jahren bis 2007 waren die Leuchtstofflampen im Dauerbetrieb eingeschaltet, mit „black cross negative“ [2007] oder „endless“ [2013 /2017] entstanden in den letzten zehn Jahren auch Arbeiten, die die Lichtausbeute varieren. Innovationen in der Leuchtstofflampentechnik und in der Steuerungstechnik machen es möglich, einzelne Lampen wie Pixel zu kontrollieren und alle Zustände digital zu steuern. „Das hat im Grunde unser Material vervielfacht. Heute arbeiten wir nicht nur mit gleissendem Weiss, sondern mit allen Schattierungen von Weiss bis Grau bis Aus. Die Möglichkeit diese Dynamik miteinzubeziehen hat unseren eigenen Blick auf unsere Arbeiten verändert.“

molitor & kuzmin verändern oder manipulieren weder Form, noch Farbe, noch verstecken sie die elektrischen Kabel. Alles, was benutzt wird, wird auch gezeigt. Die technische Transparenz ist Teil des ästhetischen Ansatzes, der nicht darauf abzielt, etwas anderes als sich selbst darzustellen. „Wir sind sehr konkret in unserer Arbeitsweise“.

Sie thematisieren die Verflechtung des architektonischen Raumes mit Licht und Wahrnehmung und behandeln sie als sich gegenseitig beeinflussende. Der Raum ist nie leer, er ist immer „informiert“, er hat eine Geschichte, er ist Träger von Spuren und Anlass zu Assoziationen. Sein Gehalt ändert sich im Laufe der Zeit und mit dem Wechsel von anwesenden Personen. „In unserer Recherche decken wir einen Teil dieser Informationen auf und wir re-codieren sie, indem wir in die lichte Dimension eingreifen. Wenn es richtig ist, sieht es so aus, als ob es dazugehört, als ob es immer da gewesen wäre und als ob es nie wieder entfernt werden sollte.“

Wenn ein Ort zum künstlerischen Material wird und gleichzeitig zum Ziel wird, dann nennt es der US-amerikanische Künstler Robert Irwin „Conditional Art“. Die „bedingte Kunst“, so Irwin, reagiert auf ihre Umgebung, und ihr Ziel ist es, die Wahrnehmung eines Raumes durch die Betrachtenden zu vertiefen. Irwin betrachtet seine Lichtinterventionen als Werkzeuge, mit denen er „die Qualität eines bestimmten Raumes in Bezug auf sein Gewicht, seine Temperatur, seine Taktilität, seine Dichte, seine Haptik“ untersucht. Irwin ist Teil der künstlerischen Light-and-Space-Bewegung, die in den 1960er Jahren begann. Unter Bezugnahme auf natürliches und künstliches Licht schufen Künstler_innen immersive Umgebungen und experimentierten mit Augenreaktionen, visueller Wahrnehmung und optischen Täuschungen. Sie komponierten im Wechselspiel von Licht, Zeit und Raum und erforschten die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung.

molitor & kuzmin sind die nächste Generation von Künstler_innen, die die künstlerische Forschung des Light-and-Space-Movement fortführen. „Wenn wir die Eigenschaften und Qualitäten eines Raumes, seine Nutzung, seine Materialien und die Prozesse seiner Entwicklung und die getroffenen Entscheidungen wirklich betrachten, werden sie zu einem Teil unseres künstlerischen Komposits. Für diese Art der künstlerischen Forschung fängt man bei Null an, wenn man weiß, dass man es nicht weiß. …. unser Entwicklungsprozess vor Ort ist ein ständiger Abgleich zwischen unseren Ideen und deren Erscheinungsbild. Und für jedes unserer Werke entwickeln wir eigene Richtlinien. Wenn wir an einem neuen Ort ankommen, verbringen wir einfach viel Zeit… beobachten, fühlen, assoziieren… Wir öffnen unsere Radare und wir sehen, fühlen und berühren. Es ist wichtig, nicht zu hetzen und unsere Augen, unser Wissen und unsere Erfahrung zu nutzen, um es zu erforschen und zu verstehen. Am Anfang wissen wir nicht, wonach wir suchen, und wir sollten warten, bis wir alles, was wir bisher gesehen haben, überwinden können. Von da an fangen wir an zu teilen und zu diskutieren, bis sich unsere Ideen synchronisieren.“

In der Balance von kreativer Freudigkeit und kritischem Urteilsvermögen entwickeln sie ihre gemeinsamen Werke. „Wir schätzen es, zu zweit zu sein, und in den fragilen Momenten der künstlerischen Entwicklung spüren wir, wie sehr wir einander vertrauen. Durch unsere gemeinsamen Projekte haben wir festgestellt, dass wir eine gute Ergänzung zueinander sind…“. 1991, im selben Jahr, als die Sowjetunion zusammenbrach und Europa nicht mehr durch den Eisernen Vorhang geteilt wurde, wurden Ost-West-Kooperationen einfacher und die in Deutschland geborene Ursula Molitor und der in der russischen Ukraine geborene Vladimir Kuzmin begannen, zusammenzuarbeiten. Beide waren damals Künstler_innen mit Schwerpunkt Malerei. Vladimir wuchs in Zaporozhe in der Ukraine auf und studierte Architektur in Moskau. Nach seinem Studium, ab 1983, stellte er nicht nur in Moskau, sondern auch in Europa und den USA aus. Etwa zur gleichen Zeit begann Ursula auszustellen, vor allem in Deutschland. Ihr künstlerisches Portfolio umfasste Zeichnungen, Gemälde und Objekte. In den ersten Jahren der gemeinsamen Arbeit arbeiteten sie an abstrakten Farbkompositionen in der Malerei. „Irgendwann, um 1995/1996, waren wir mit den Farben auf der Leinwand nicht mehr zufrieden. Wir wollten den umgebenden Raum mit einbeziehen und waren begeistert, mit physischem Licht als offenem Volumen zu arbeiten. Und das ist auch heute noch so.“

[Interview am 10. September 2017. Überarbeitung vom 5. März 2018. Alle Zitate von molitor & kuzmin. Text: Bettina Pelz]

Cuppetelli und Mendoza: Interferenz in der Kunst

Cuppetelli und Mendoza setzen fort, was seit den 1960er Jahren Op-art genannt wird. Op-art oder Optical Art sind Werke, die auf Form- und Gestaltbildungen basieren, die im Zusammenspiel von Geometrie, Optik und Wahrnehmung entstehen. Typischerweise sind es Zeichnungen, Gemälde oder Reliefs, die den Eindruck von Bewegung, von Blinken oder Vibrieren, von Schwellen oder Verziehen erzeugen, obwohl sie statisch sind. „Bilder, die das Auge angreifen“ war die Überschrift eines Essays über Op-art im Time Magazine vom 23. Oktober 1964. Das Spielen mit der Unzulänglichkeit des Sehprozesses ist die neue Bewegung der „optischen Kunst“, die in der westlichen Welt entstanden ist. Nicht weniger als ein Bruch mit dem abstrakten Expressionismus als mit der Pop-Art, machen die visuellen Forscher_innen Op-Art Forscher_innen verlockend, Augen-reizend und Augen-schärfend …“, hieß es Einleitung, und tatsächlich erzeugen Op-Art-Kompositionen eine Art visuelle Spannung im Kopf der Betrachtenden, in der die Illusionen von Raum und Bewegung entsteht.

Yaacov Agam, Bridget Riley, Jesús Rafael Soto und Viktor Vasarely gehören zu den international bekannten Op-Art-Künstler_innen. Sie haben sich mit Physik und Mathematik, Grafik und Wahrnehmung beschäftigt und mit Licht und Schatten, Perspektive und Texturen experimentiert. In ihrer künstlerischen Praxis verwischten sie die Grenzen zwischen Malerei, Skulptur und Performance. Auch Cuppetelli und Mendoza sind der transdisziplinären Zusammenarbeit verpflichtet. Sie spielen mit der Überlagerung der analogen und der digitalen Sphäre. Ihre Arbeiten sind Objekte, Installationen und Performances zugleich.

1965 zeigte das Museum of Modern Art in New York die Op-art Ausstellung „The Responsive Eye“ mit Künstler_innen wie Josef Albers, Frank Stella, Ellsworth Kelly und Agnes Martin. Im Mittelpunkt standen die Wahrnehmungsaspekte der Kunst, die sich aus der Illusion von Raum und Bewegung und aus dem Zusammenspiel von Farbe und Form ergaben. Die Ausstellung fand großes öffentliches Interesse und Op-art wurde einflussreich für Architektur, Design, Mode und Musik. Im 21. Jahrhundert reproduzieren Computerprogramme mit Leichtigkeit optische Muster, die von den Künstler_innen des 20. Jahrhunderts noch von Hand und mit viel Zeit gemacht wurden. Im 21. Jahrhundert werden die visuellen Phänomene der Op-Art im Projection Mapping in großformatigen Architektur- oder Bühnenprojektionen angewandt. Optische Effekte werden eingesetzt, um Mehr-Dimensionalität oder Bewegungsvorstellungen zu erzeugen.

Die Ursprünge des zeitgenössischen Projection Mapping stammen aus den 1960er Jahren. Die vielleicht ersten Animationen waren die „Grim Grinning Ghosts“ im Disneyland: auf statische Büsten wurde gefilmtes Material appliziert. In den 1990er Jahren verwendete der amerikanische Künstler Tony Oursler die gleiche Technik für eine Serie von animierten und projizierten Gesichtern auf arrangierten Textilen. In der Wahrnehmung der Betrachtenden wird die Bewegung des digitalen Bildes auf das statische Objekt übertragen, das die Projektionsfläche ist. In den letzten 30 Jahren hat eine Vielzahl von Künstler_innen und Designer_innen, Fotograf_innen und Animationsgestalter_innen zu der Interaktion von analogen Strukturen und digitalen Bildern gerabeitet _ in Werbung, in Kino und Club, auf der Bühne, in der Architektur und in der Kunst. Als Cuppetelli and Mendoza begannen mit dem Zusammenspiel von textilen Objekten und digitalen Projektionen zu experimentieren, stießen sie auf eine Reihe von Interferenzmustern, die aus dem analogen Zeichnen, Malen und Drucken bekannt sind, dabei hat sie das Changieren in Form und Farbe wie es bei dem Moiré-Effekt auftritt, im Besonderen interessiert. Dazu müssen zwei oder mehr geometrische Muster sehr nahe beieinander liegen, jedoch leicht verschoben, gedreht oder verschoben zueinander. Mit diesem Moire-Effekt arbeitet das künstlerische Team in einer Serie mit dem Titel „Nervous Structure“. Alle Werke setzen sich aus mehereren Ebenen zusammen, die miteinander interagieren: eine textile Struktur, eine digitale Projektion, ein digitales Interface zur Beobachtung der Betrachtendenen und zur Übersetzung der Bewegungsmuster und eine Software. So entstehen Reliefs, Objekte und Räume. In der Tradition der Op-Art-Bewegung waren ihre ersten  Environments ausschlielich Schwarz-Weiß, und seit 2015 beziehen sie Farbphänomene in ihre Arbeiten mit ein.

Heute „mappen“ jedoch nicht nur textile Objekte, sondern auch die Betrachtenden. Die ganze Bandbreite der visuellen Werkes zeigt sich, wenn die Besucher_innen die Installation nicht nur sehen, sondern sich mit ihr bewegen und interagieren. Cuppetelli und Mendoza sind Teil eines Trends, der mit „Ausstieg aus dem Bild“ betitelt wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Bewegungen wie Fluxus, Happening und Performance Art sowie Land Art, Kinetic Art und Light Art Teil der laufenden künstlerischen Forschung, die Erfahrungsraums der Betrachenden in künstlerische Konzepte integrierten. Gleichzeitig verwies die Bewegung „Licht und Raum“ mit Werken von Robert Irwin, James Turrell, Marian Zazeela u.a. auf die subjektive Erfahrung des Sehens als wesentlich. Mit der Subjektivität als a priori der Wahrnehmung wurde das Modell eines objektiv beschreibbaren und statischen Kunstwerks verworfen. Heute beschäftigt sich eine Vielzahl von Künstler_innen, Kurator_innen und Kulturwissenschaftler_innen mit reagierenden, interaktiven und partizipativen Konzepten. Cuppetelli und Mendoza gehören zu denen, die diesen Diskurs bereichern und die dynamische Relation von Licht und Sicht, Form und Raum,  Bewegung und Zeit, Bild und Blick neu kartografieren.

(Text: Bettina Pelz. 2017/2018)

Hartung | Trenz: Typografie als künstlerisches Ereignis

Leuchtende Neontexte, dynamische LED-Schriftbänder, Buchstabenprojektionen als Rauminterventionen, Sehtexte und Buchobjekte – die typografische Auseinandersetzung mit Text als Material und Medium ist in der bildenden Kunst der Gegenwart präsent. Die Künstler Detlef Hartung und Georg Trenz gehören seit über 20 Jahren zu denen, die das Verhältnis von Sinn zu Text zu Raum zu Bild zu Licht ausloten.

„Wir interessieren uns für Orte und Kontexte, die mit Geschichte aufgeladen sind und solche in denen visuelle Spuren begrenzt sind oder fehlen. Wir möchten lernen und verstehen, was einen Ort geprägt hat und was nicht. Und wir suchen sowohl die Teile, die sichtbar sind, als auch die Teile, die vernachlässigt, ignoriert oder vergessen werden. Wir genießen diesen Entdeckungsmodus und unterstützen ihn mit Forschung, mit Lesen und mit Gesprächen mit Leuten, die auf die Website oder den Kontext verweisen.“ Ausgangspunkt für ihre Raum- und Architekturprojektionen sind vorgefundene Orte in ihrer architektonischen, soziokulturellen und historischen Dimension. Sie erkunden und vermessen Räume, sondieren Atmosphären und Wirkkräfte. „Wenn wir uns einem neuen Projekt nähern, beginnen wir, viele Fragen zu stellen, und auf die gleiche Weise und zur gleichen Zeit erforschen wir das Zusammenspiel des Ortes und die Möglichkeiten der Projektion. Und je besser beide funktionieren, desto mehr Informationen und Assoziationen tauchen auf und desto mehr Fragen tauchen auf. Mitten in diesen Verstrickungen finden wir meist den Ausgangspukt für unsere Arbeiten. .Von dort aus, wo wir nicht sicher sind, irgendetwas zu verstehen, beginnen wir, unsere Werke zu entwickeln. Sie sind daher ein Moment der Beobachtung, eine Einladung zum Sehen und Diskutieren und nicht eine wertende Aussage.“

Im Wechselspiel von Analyse und Assoziation entwickeln sie Textmaterial als grafische Geflechte, projizieren sie und betrachten das Spiel von Farben, Formen und Sehzusammenhängen, das sich einstellt. Es entstehen typografische Versuchsanordnungen ebenso wie Assoziationsräume, die auf die Zeichenhaftigkeit der Dinge verweisen. Im Nebeneinander des Sichtbaren und des Unsichtbaren reorganisieren sie die Zusammenhänge von Wahrnehmungs- und Bedeutungsebenen. Ihre Leinwand ist weder weiß noch schwarz, sondern die Welt und ihre Patina. Sie blenden aus und ein, sie be- und hinter leuchten, sie experimentieren mit der Wahrnehmung und spielen mit der Vorstellung. „Kunst zu machen bedeutet, eine subjektive Position zu artikulieren, und Teil der Forschung ist es, uns selbst zu verstehen. Wonach suchen wir? Warum sind wir interessiert? Worauf beziehen wir uns? Was wählen wir aus? Was können wir sehen? Können Ästhetik und Poetik helfen, mehr zu sehen? In unserem Fall sind wir immer zwei und arbeiten seit fast 20 Jahren zusammen. Austausch, Diskussion und Synchronisation sind für unsere Arbeit unerlässlich. Das bedeutet, dass wir gut ausgebildet sind, um im Dialog zu sein, sowohl untereinander als auch mit einer Seite oder einem Kontext. Wir sollten uns einigen, sonst gibt es keine Arbeit. Das ist ein anspruchsvoller und anregender Prozess, nicht immer einfach und lustig, aber sehr gut für unsere Einstellung und unsere Arbeit. Und sehr viel Engagement für unsere persönliche und künstlerische Entwicklung.“

Ihre Texte setzen Räume dem Spiel mit Licht und Schatten aus, projizieren weiße und schwarze Flächen und Felder bis sich ein Bildgeschehen einstellt, dass der künstlerischen Forschung zur Anregung und Erkenntnis wird. Dabei verliert sich der theoretisch-konzeptionelle Ansatz und das ästhetische Geschehen übernimmt die Regie. So entstehen performative Texturen, die Orte, Räume und visuelle Zusammenhänge neu kartografieren. Das Schriftbild zeigt den Raum, zerbricht an ihm und formatiert sich neu. Die Texte werden zu Hypertexten, d.h. sie bilden ein Netz aus Bild-, Raum-, Text- und Dateneinheiten mit wechselseitigen Verweisen, in dem sich die Betrachter_innen eigenständig bewegen können. „Während unserer Forschungen haben wir gelernt, offen für Informationen zu sein. Wir behandeln ein Informationsvolumen nie als endgültig, sondern nur als vorübergehend. Wir sind uns aller zeitlichen Beschränkungen, der Zugänglichkeit, des Interesses und der Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, bewusst. Wir haben gelernt, mit offenen Datenmengen und dem Risiko, bestimmte Aspekte zu übersehen, zu leben. Es entspricht unserem Interesse an der Sprache in Wort und Schrift. Alle Sprachen haben ihre eigenen Lücken – es gibt Teile von dem, was angesprochen werden kann, und dann gibt es alle anderen, die es nicht können. Die Typografie versucht, das in der Gestaltung von Buchstaben und Buchstabenabständen zu reflektieren. In unserer ästhetischen Forschung versuchen wir, poröse Oberflächen zu bauen, die Raum lassen, um ungesehene, unausgesprochene und ungeschriebene Aspekte zu berücksichtigen.“

Hartung und Trenz pflegen diese Vorliebe für unsystematisches Lesen auf der Suche nach Möglichkeitsräumen des Sehen und Denkens. Mit einer ihnen eigenen Beharrlichkeit fragen sie nach dem Wie und Wo und Warum von Sprache und Schrift. Ihre Arbeiten sind eine Art Rechenschaftsberichte, die ihren Prozess des Sehens, Denkens und Ausdrückens dokumentieren. Sie selbst sind Wahrnehmungsspezialisten, die das, was sie sehen, verarbeiten und, um es nicht bei der subjektiven Erfahrung zu belassen, als kollektives Ereignis inszenieren. „Die Arbeit mit Projektion ermöglicht es uns, an jedem Ort mit typografischen Eigenschaften zu experimentieren. Das Zusammenspiel von Landschaft oder urbaner Umgebung und typografischer Architektur ist ein ästhetisch spannender Prozess und hat oft ethische Auswirkungen. In unseren Arbeiten teilen wir unser Interesse und unseren Prozess mit einem Kontext oder einem Ort. Wir eröffnen einen Dialog und verfolgen die Entwicklung des Prozesses und der Begegnung. Das nennen wir künstlerische Forschung. Und an einem Punkt dieses Prozesses fangen wir an, auf das zu reagieren, was wir sehen, was wir lernen und was wir erleben.“

In den künstlerischen Fragestellungen von Hartung und Trenz geht es nicht um Überforderung, Täuschung oder Illusion, sondern um die Verlässlichkeit dessen, was wir als Wirklichkeit betrachten. Wenn sich das nicht nur in einem reflexiven Gedanken und sondern auch einem poetischen Moment niederschlägt, der die Künstler mit den Betrachter_innen verbindet, fördert das ihre Motivation Typografie als künstlerisches Ereignis weiter auszuloten. „Unsere Arbeiten sind hauptsächlich temporäre Interventionen, sie sind nur ein Moment in der Zeit, aber sehr konzentriert. Alle Orte unserer Werke wurden Teil von uns, von unseren Erfahrungen, von unserem Gedächtnis und von unserem Rhizom der Emotionen. Und wir hoffen, dass wir das mit unseren Gastgeber_innen – den Kurator_innen und Produzent_innen – sowie mit unseren Besucher_innen teilen können.“

[Text: Bettina Pelz. 5. März 2018. Alle Zitate sind Zusammenfassungen des Interviews vom 9. September 2017: Bettina Pelz]

2020 >>

  • 2020

PRODUKTION

  • Galerie Seippel

KÜNSTLERISCHE LEITUNG

  • Bettina Pelz

KURATORISCHE ASSISTENZ

  • Frankie Macaulay

PARTNER_INNEN

  • Haus der Stiftungen
  • Galerie Seippel
  • Kunsthochschule für Medien
  • Museum für Angewandte Kunst
  • Schokoladenmuseum

UNTERSTÜTZENDE PARTNER_INNEN

  • INTERFERENCE Tunis
  • RESPONSIVE Halifax
  • SVETLOBNA GVERILA Ljubljana

IM ANSCHLUSS

  • INTERFERENCE Tunis 2020
  • RESPONSIVE Halifax 2019
  • INTERFERENCE Tunis 2018

KONTAKT

  • Impressum

STUDIO BETTINA PELZ

Bettina Pelz
Wacholderstr. 11
58300 Wetter

Theme von Colorlib Powered by WordPress
Diese Website sammelt keine Informationen, Daten oder Kontakte über ihre Leser_innen. Die vorhandenen Cookies dienen ausschließlich der Dokumentation der Sitzungen der Mitarbeiter_innen des STUDIO BETTINA PELZ. Verstanden Info Impressum Ablehnen
Privacy & Cookies Policy

Privacy Overview

This website uses cookies to improve your experience while you navigate through the website. Out of these, the cookies that are categorized as necessary are stored on your browser as they are essential for the working of basic functionalities of the website. We also use third-party cookies that help us analyze and understand how you use this website. These cookies will be stored in your browser only with your consent. You also have the option to opt-out of these cookies. But opting out of some of these cookies may affect your browsing experience.
Necessary
immer aktiv
Necessary cookies are absolutely essential for the website to function properly. This category only includes cookies that ensures basic functionalities and security features of the website. These cookies do not store any personal information.
Non-necessary
Any cookies that may not be particularly necessary for the website to function and is used specifically to collect user personal data via analytics, ads, other embedded contents are termed as non-necessary cookies. It is mandatory to procure user consent prior to running these cookies on your website.
SPEICHERN & AKZEPTIEREN