Cuppetelli und Mendoza setzen fort, was seit den 1960er Jahren Op-art genannt wird. Op-art oder Optical Art sind Werke, die auf Form- und Gestaltbildungen basieren, die im Zusammenspiel von Geometrie, Optik und Wahrnehmung entstehen. Typischerweise sind es Zeichnungen, Gemälde oder Reliefs, die den Eindruck von Bewegung, von Blinken oder Vibrieren, von Schwellen oder Verziehen erzeugen, obwohl sie statisch sind. „Bilder, die das Auge angreifen“ war die Überschrift eines Essays über Op-art im Time Magazine vom 23. Oktober 1964. Das Spielen mit der Unzulänglichkeit des Sehprozesses ist die neue Bewegung der „optischen Kunst“, die in der westlichen Welt entstanden ist. Nicht weniger als ein Bruch mit dem abstrakten Expressionismus als mit der Pop-Art, machen die visuellen Forscher_innen Op-Art Forscher_innen verlockend, Augen-reizend und Augen-schärfend …“, hieß es Einleitung, und tatsächlich erzeugen Op-Art-Kompositionen eine Art visuelle Spannung im Kopf der Betrachtenden, in der die Illusionen von Raum und Bewegung entsteht.

Yaacov Agam, Bridget Riley, Jesús Rafael Soto und Viktor Vasarely gehören zu den international bekannten Op-Art-Künstler_innen. Sie haben sich mit Physik und Mathematik, Grafik und Wahrnehmung beschäftigt und mit Licht und Schatten, Perspektive und Texturen experimentiert. In ihrer künstlerischen Praxis verwischten sie die Grenzen zwischen Malerei, Skulptur und Performance. Auch Cuppetelli und Mendoza sind der transdisziplinären Zusammenarbeit verpflichtet. Sie spielen mit der Überlagerung der analogen und der digitalen Sphäre. Ihre Arbeiten sind Objekte, Installationen und Performances zugleich.

1965 zeigte das Museum of Modern Art in New York die Op-art Ausstellung „The Responsive Eye“ mit Künstler_innen wie Josef Albers, Frank Stella, Ellsworth Kelly und Agnes Martin. Im Mittelpunkt standen die Wahrnehmungsaspekte der Kunst, die sich aus der Illusion von Raum und Bewegung und aus dem Zusammenspiel von Farbe und Form ergaben. Die Ausstellung fand großes öffentliches Interesse und Op-art wurde einflussreich für Architektur, Design, Mode und Musik. Im 21. Jahrhundert reproduzieren Computerprogramme mit Leichtigkeit optische Muster, die von den Künstler_innen des 20. Jahrhunderts noch von Hand und mit viel Zeit gemacht wurden. Im 21. Jahrhundert werden die visuellen Phänomene der Op-Art im Projection Mapping in großformatigen Architektur- oder Bühnenprojektionen angewandt. Optische Effekte werden eingesetzt, um Mehr-Dimensionalität oder Bewegungsvorstellungen zu erzeugen.

Die Ursprünge des zeitgenössischen Projection Mapping stammen aus den 1960er Jahren. Die vielleicht ersten Animationen waren die „Grim Grinning Ghosts“ im Disneyland: auf statische Büsten wurde gefilmtes Material appliziert. In den 1990er Jahren verwendete der amerikanische Künstler Tony Oursler die gleiche Technik für eine Serie von animierten und projizierten Gesichtern auf arrangierten Textilen. In der Wahrnehmung der Betrachtenden wird die Bewegung des digitalen Bildes auf das statische Objekt übertragen, das die Projektionsfläche ist. In den letzten 30 Jahren hat eine Vielzahl von Künstler_innen und Designer_innen, Fotograf_innen und Animationsgestalter_innen zu der Interaktion von analogen Strukturen und digitalen Bildern gerabeitet _ in Werbung, in Kino und Club, auf der Bühne, in der Architektur und in der Kunst. Als Cuppetelli and Mendoza begannen mit dem Zusammenspiel von textilen Objekten und digitalen Projektionen zu experimentieren, stießen sie auf eine Reihe von Interferenzmustern, die aus dem analogen Zeichnen, Malen und Drucken bekannt sind, dabei hat sie das Changieren in Form und Farbe wie es bei dem Moiré-Effekt auftritt, im Besonderen interessiert. Dazu müssen zwei oder mehr geometrische Muster sehr nahe beieinander liegen, jedoch leicht verschoben, gedreht oder verschoben zueinander. Mit diesem Moire-Effekt arbeitet das künstlerische Team in einer Serie mit dem Titel „Nervous Structure“. Alle Werke setzen sich aus mehereren Ebenen zusammen, die miteinander interagieren: eine textile Struktur, eine digitale Projektion, ein digitales Interface zur Beobachtung der Betrachtendenen und zur Übersetzung der Bewegungsmuster und eine Software. So entstehen Reliefs, Objekte und Räume. In der Tradition der Op-Art-Bewegung waren ihre ersten  Environments ausschlielich Schwarz-Weiß, und seit 2015 beziehen sie Farbphänomene in ihre Arbeiten mit ein.

Heute „mappen“ jedoch nicht nur textile Objekte, sondern auch die Betrachtenden. Die ganze Bandbreite der visuellen Werkes zeigt sich, wenn die Besucher_innen die Installation nicht nur sehen, sondern sich mit ihr bewegen und interagieren. Cuppetelli und Mendoza sind Teil eines Trends, der mit „Ausstieg aus dem Bild“ betitelt wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Bewegungen wie Fluxus, Happening und Performance Art sowie Land Art, Kinetic Art und Light Art Teil der laufenden künstlerischen Forschung, die Erfahrungsraums der Betrachenden in künstlerische Konzepte integrierten. Gleichzeitig verwies die Bewegung „Licht und Raum“ mit Werken von Robert Irwin, James Turrell, Marian Zazeela u.a. auf die subjektive Erfahrung des Sehens als wesentlich. Mit der Subjektivität als a priori der Wahrnehmung wurde das Modell eines objektiv beschreibbaren und statischen Kunstwerks verworfen. Heute beschäftigt sich eine Vielzahl von Künstler_innen, Kurator_innen und Kulturwissenschaftler_innen mit reagierenden, interaktiven und partizipativen Konzepten. Cuppetelli und Mendoza gehören zu denen, die diesen Diskurs bereichern und die dynamische Relation von Licht und Sicht, Form und Raum,  Bewegung und Zeit, Bild und Blick neu kartografieren.

(Text: Bettina Pelz. 2017/2018)