Leuchtende Neontexte, dynamische LED-Schriftbänder, Buchstabenprojektionen als Rauminterventionen, Sehtexte und Buchobjekte – die typografische Auseinandersetzung mit Text als Material und Medium ist in der bildenden Kunst der Gegenwart präsent. Die Künstler Detlef Hartung und Georg Trenz gehören seit über 20 Jahren zu denen, die das Verhältnis von Sinn zu Text zu Raum zu Bild zu Licht ausloten.

„Wir interessieren uns für Orte und Kontexte, die mit Geschichte aufgeladen sind und solche in denen visuelle Spuren begrenzt sind oder fehlen. Wir möchten lernen und verstehen, was einen Ort geprägt hat und was nicht. Und wir suchen sowohl die Teile, die sichtbar sind, als auch die Teile, die vernachlässigt, ignoriert oder vergessen werden. Wir genießen diesen Entdeckungsmodus und unterstützen ihn mit Forschung, mit Lesen und mit Gesprächen mit Leuten, die auf die Website oder den Kontext verweisen.“ Ausgangspunkt für ihre Raum- und Architekturprojektionen sind vorgefundene Orte in ihrer architektonischen, soziokulturellen und historischen Dimension. Sie erkunden und vermessen Räume, sondieren Atmosphären und Wirkkräfte. „Wenn wir uns einem neuen Projekt nähern, beginnen wir, viele Fragen zu stellen, und auf die gleiche Weise und zur gleichen Zeit erforschen wir das Zusammenspiel des Ortes und die Möglichkeiten der Projektion. Und je besser beide funktionieren, desto mehr Informationen und Assoziationen tauchen auf und desto mehr Fragen tauchen auf. Mitten in diesen Verstrickungen finden wir meist den Ausgangspukt für unsere Arbeiten. .Von dort aus, wo wir nicht sicher sind, irgendetwas zu verstehen, beginnen wir, unsere Werke zu entwickeln. Sie sind daher ein Moment der Beobachtung, eine Einladung zum Sehen und Diskutieren und nicht eine wertende Aussage.“

Im Wechselspiel von Analyse und Assoziation entwickeln sie Textmaterial als grafische Geflechte, projizieren sie und betrachten das Spiel von Farben, Formen und Sehzusammenhängen, das sich einstellt. Es entstehen typografische Versuchsanordnungen ebenso wie Assoziationsräume, die auf die Zeichenhaftigkeit der Dinge verweisen. Im Nebeneinander des Sichtbaren und des Unsichtbaren reorganisieren sie die Zusammenhänge von Wahrnehmungs- und Bedeutungsebenen. Ihre Leinwand ist weder weiß noch schwarz, sondern die Welt und ihre Patina. Sie blenden aus und ein, sie be- und hinter leuchten, sie experimentieren mit der Wahrnehmung und spielen mit der Vorstellung. „Kunst zu machen bedeutet, eine subjektive Position zu artikulieren, und Teil der Forschung ist es, uns selbst zu verstehen. Wonach suchen wir? Warum sind wir interessiert? Worauf beziehen wir uns? Was wählen wir aus? Was können wir sehen? Können Ästhetik und Poetik helfen, mehr zu sehen? In unserem Fall sind wir immer zwei und arbeiten seit fast 20 Jahren zusammen. Austausch, Diskussion und Synchronisation sind für unsere Arbeit unerlässlich. Das bedeutet, dass wir gut ausgebildet sind, um im Dialog zu sein, sowohl untereinander als auch mit einer Seite oder einem Kontext. Wir sollten uns einigen, sonst gibt es keine Arbeit. Das ist ein anspruchsvoller und anregender Prozess, nicht immer einfach und lustig, aber sehr gut für unsere Einstellung und unsere Arbeit. Und sehr viel Engagement für unsere persönliche und künstlerische Entwicklung.“

Ihre Texte setzen Räume dem Spiel mit Licht und Schatten aus, projizieren weiße und schwarze Flächen und Felder bis sich ein Bildgeschehen einstellt, dass der künstlerischen Forschung zur Anregung und Erkenntnis wird. Dabei verliert sich der theoretisch-konzeptionelle Ansatz und das ästhetische Geschehen übernimmt die Regie. So entstehen performative Texturen, die Orte, Räume und visuelle Zusammenhänge neu kartografieren. Das Schriftbild zeigt den Raum, zerbricht an ihm und formatiert sich neu. Die Texte werden zu Hypertexten, d.h. sie bilden ein Netz aus Bild-, Raum-, Text- und Dateneinheiten mit wechselseitigen Verweisen, in dem sich die Betrachter_innen eigenständig bewegen können. „Während unserer Forschungen haben wir gelernt, offen für Informationen zu sein. Wir behandeln ein Informationsvolumen nie als endgültig, sondern nur als vorübergehend. Wir sind uns aller zeitlichen Beschränkungen, der Zugänglichkeit, des Interesses und der Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, bewusst. Wir haben gelernt, mit offenen Datenmengen und dem Risiko, bestimmte Aspekte zu übersehen, zu leben. Es entspricht unserem Interesse an der Sprache in Wort und Schrift. Alle Sprachen haben ihre eigenen Lücken – es gibt Teile von dem, was angesprochen werden kann, und dann gibt es alle anderen, die es nicht können. Die Typografie versucht, das in der Gestaltung von Buchstaben und Buchstabenabständen zu reflektieren. In unserer ästhetischen Forschung versuchen wir, poröse Oberflächen zu bauen, die Raum lassen, um ungesehene, unausgesprochene und ungeschriebene Aspekte zu berücksichtigen.“

Hartung und Trenz pflegen diese Vorliebe für unsystematisches Lesen auf der Suche nach Möglichkeitsräumen des Sehen und Denkens. Mit einer ihnen eigenen Beharrlichkeit fragen sie nach dem Wie und Wo und Warum von Sprache und Schrift. Ihre Arbeiten sind eine Art Rechenschaftsberichte, die ihren Prozess des Sehens, Denkens und Ausdrückens dokumentieren. Sie selbst sind Wahrnehmungsspezialisten, die das, was sie sehen, verarbeiten und, um es nicht bei der subjektiven Erfahrung zu belassen, als kollektives Ereignis inszenieren. „Die Arbeit mit Projektion ermöglicht es uns, an jedem Ort mit typografischen Eigenschaften zu experimentieren. Das Zusammenspiel von Landschaft oder urbaner Umgebung und typografischer Architektur ist ein ästhetisch spannender Prozess und hat oft ethische Auswirkungen. In unseren Arbeiten teilen wir unser Interesse und unseren Prozess mit einem Kontext oder einem Ort. Wir eröffnen einen Dialog und verfolgen die Entwicklung des Prozesses und der Begegnung. Das nennen wir künstlerische Forschung. Und an einem Punkt dieses Prozesses fangen wir an, auf das zu reagieren, was wir sehen, was wir lernen und was wir erleben.“

In den künstlerischen Fragestellungen von Hartung und Trenz geht es nicht um Überforderung, Täuschung oder Illusion, sondern um die Verlässlichkeit dessen, was wir als Wirklichkeit betrachten. Wenn sich das nicht nur in einem reflexiven Gedanken und sondern auch einem poetischen Moment niederschlägt, der die Künstler mit den Betrachter_innen verbindet, fördert das ihre Motivation Typografie als künstlerisches Ereignis weiter auszuloten. „Unsere Arbeiten sind hauptsächlich temporäre Interventionen, sie sind nur ein Moment in der Zeit, aber sehr konzentriert. Alle Orte unserer Werke wurden Teil von uns, von unseren Erfahrungen, von unserem Gedächtnis und von unserem Rhizom der Emotionen. Und wir hoffen, dass wir das mit unseren Gastgeber_innen – den Kurator_innen und Produzent_innen – sowie mit unseren Besucher_innen teilen können.“

[Text: Bettina Pelz. 5. März 2018. Alle Zitate sind Zusammenfassungen des Interviews vom 9. September 2017: Bettina Pelz]